Verbesserte Standards fĂŒr die OberflĂ€che

Wer ein Blatt Papier in den Drucker legt, denkt nicht lange darĂŒber nach: Die PapiergröĂe passt zum Drucker, der Drucker passt zum Papier. Das ist kein Zufall, sondern Ergebnis einer Norm. Laut Deutschem Institut fĂŒr Normung e. V. (DIN) bilden aktuell rund 34.000 Normen das Deutsche Normenwerk. Sie geben Herstellern und Verbrauchern wichtige Regeln an die Hand, setzen Standards fĂŒr Produkte und Verfahren und schaffen klare Kriterien â oft sogar weltweit.
Und so sind die drei Teile des neuen Standardwerks ISO 21920 Profilnormen ein wichtiger Baustein in dem seit fast 25 Jahren erarbeiteten internationalen Normenkonzept der Geometrischen Produktspezifikation (GPS-System). Nach den bereits veröffentlichten Normen zur flĂ€chenhaften Spezifikation der OberflĂ€chenbeschaffenheit, der Normreihe DIN EN ISO 25178, stehen mit DIN EN ISO 21920 auch die relevanten Profilnormen in aktualisierter Fassung zur VerfĂŒgung. Die bisherigen Profilnormen
- ISO 4287:1997-04 âKenngröĂenâ
- ISO 4288:1996-08 âMessbedingungenâ
- ISO 13565-1 bis 3 âTraganteilâ
- ISO 1302:2002-02 âZeichnungseintragungenâ
werden zurĂŒckgezogen. âSie decken nicht mehr alle Möglichkeiten moderner MessgerĂ€te ab â etwa, weil sie bis dato keine standardisierten Verfahren fĂŒr die optischen MessgerĂ€te boten. Zudem entsprachen sie nicht immer der aktuellen industriellen Praxis und hatten teilweise UnschĂ€rfen in der Definition einiger Kennwertalgorithmenâ, erklĂ€rt Heinz-Joachim Kedziora, Leiter der Entwicklung OberflĂ€chenmesstechnik bei Mahr. Er ist zugleich als Projektleiter fĂŒr den dritten Teil der neuen Norm international verantwortlich und hat im Sommer 2021 diese Aufgabe auch fĂŒr den ersten Norm-Teil ĂŒbernommen. âDie DIN EN ISO 12085 (âMotifâ) bleibt bestehen; mit der Ăberarbeitung der DIN EN ISO 3274 (âTastschnittgerĂ€tâ) wurde zwischenzeitlich begonnen.â
Aktualisierung und Optimierung
Historisch bedingt hatten die bisherigen Normen zum Teil recht unterschiedliche Nummern. Sie reichen von âISO 3274:1996-12 MessgerĂ€teâ ĂŒber âISO 4287:1997-04 KenngröĂenâ bis zu âISO 4288:1996-08 Messbedingungenâ â um nur einige von ihnen zu nennen. Ab sofort werden sie in der neuen DIN ISO 21920 zusammengefasst. Sie bildet damit den gesamten Prozess â von der Konstruktion ĂŒber die Fertigung bis zur QualitĂ€tskontrolle â in drei Teilen ab. So geht es im ersten Teil (ISO 21920-1) um Fertigung und Spezifikation, also âZeichnungseintragungenâ. Teil 2 (ISO 21920-2) definiert die KenngröĂen, und Teil 3 (ISO 21920-3) formuliert die Bedingungen, wie diese KenngröĂen am Ende ĂŒberprĂŒft werden.
Teil 1: Zeichnung stellt Funktionen des Bauteils sicher
Teil 1 löst die bisherige ISO 1302 ab und umfasst die Prozesse rund um die Zeichnungseintragungen, die ein Konstrukteur fĂŒr die Fertigung eines Bauteils vorgibt. Wichtigste Ănderung: Ab sofort ist ausschlieĂlich die Zeichnung die Basis fĂŒr die Bedingungen, mit denen ein gefertigtes Bauteil ĂŒberprĂŒft wird. âAuch wenn ein Konstrukteur etwas besonders Kompliziertes entwickelt, ist in Teil 1 definiert, wie er das WerkstĂŒck spezifizieren muss, ohne dass er Freitext hinzufĂŒgt. Auf diese Weise ist es möglich, dass allein die Spezifikation die Funktion der Komponente sicherstelltâ, erlĂ€utert Heinz-Joachim Kedziora. Beispiel: Wenn man also nur die KenngröĂe âRaâ sowie einen Wert angibt, dann ist in vielen FĂ€llen nicht sichergestellt, dass diese Angabe mit dem Funktionsverhalten des Teiles korreliert. Hier gibt es komplexere und weniger komplexe KenngröĂen. Zudem umfasst Teil 1 neue Begriffe fĂŒr die OberflĂ€chenparameter:
Begriff | Kurzzeichen | ErlÀuterung |
AuswertelĂ€nge | le | âevaluation lengthâ, der Teil der Taststrecke, der ausgewertet wird; ersetzt lm bzw. ln. |
Nesting-Index | Nic, Nis | âGrenzwellenlĂ€ngeâ nur fĂŒr lineare Filter sinnvoll; ersetzt λc und λs |
Profil-S-Filter | Profil-S-Filter entfernt kurzwellige Anteile (Tiefpass); fĂŒr Rauheitskennwerte entfernt das Nis-Filter (âλs-Filterâ) sehr kurzwellige Anteile, die nicht zum R-Profil gehören. FĂŒr Welligkeitskennwerte entfernt das Nic-Filter (âλc-Filterâ) kurzwellige Anteile, die zum R-Profil und nicht zum W-Profil gehören. | |
Profil-L-Filter | Profil-L-Filter entfernt langwellige Anteile (Hochpass); fĂŒr Rauheitskennwerte entfernt das Nic-Filter (âλc-Filterâ) langwellige Anteile, die nicht zum R-Profil gehören. | |
AbschnittlĂ€nge | lsc | âsection lengthâ fĂŒr die KenngröĂen, die aus Profilabschnitten berechnet werden, z.B. Rz, Rp, Rv; ersetzt den Begriff âEinzelmessstreckeâ |
Anzahl Abschnitte | nsc | ânumber of sectionsâ; ersetzt den Begriff âAnzahl Einzelmessstreckenâ |
Wichtig fĂŒr alle Anwender: Die neue Norm gilt nur fĂŒr neue Zeichnungen. Ălter datierte Zeichnungen behalten ihre GĂŒltigkeit unter der frĂŒheren Norm.
Ebenfalls neu sind einige Symbole, die eingefĂŒhrt wurden, um den eindeutigen Bezug einer Zeichnung nach DIN EN ISO 21920-1 herzustellen:

Teil 2: Konstrukteure sind gefragt
Der zweite Teil der neuen ISO 21920 beschĂ€ftigt sich mit dem Zusammenhang zwischen KenngröĂen und Funktionen von Bauteilen. Er ist der umfangreichste und wohl schwierigste Teil und ersetzt die frĂŒhere ISO 4287. âĂber 100 KenngröĂen sind hier beschrieben, die den Konstrukteuren einen enormen Werkzeugkasten bieten. Sie sind kĂŒnftig gefragt, aus diesem Teil die richtige KenngröĂe auszuwĂ€hlen. Die Auswahl fĂ€llt erfahrungsgemÀà vielen Anwendern schwer, da dieses Thema keinen Ausbildungsschwerpunkt darstelltâ, so der Entwicklungsleiter.
Bei den KenngröĂen, die aus Profilelementen (= ein Berg und ein Tal im Profil) berechnet werden, gab es bisher gröĂere Messunsicherheiten, da die Profilelemente zwar beschrieben, aber im Detail, insbesondere in GrenzfĂ€llen, nicht eindeutig definiert waren. Das wurde jetzt deutlich verbessert. Die Hersteller von Messtechnik sind jedoch nicht gezwungen, all diese KenngröĂen in ein GerĂ€t oder eine Software zu programmieren, da manche von ihnen nur regional eine Rolle spielen.
Teil 3: Wie man zu einem validen Ergebnis gelangt
Teil 3 definiert die Bedingungen, nach bzw. unter denen gemessen wird. Er ersetzt die bisherige ISO 4288 und beschĂ€ftigt sich mit dem Thema âSpecification and Verificationâ â also Anforderungen an Messverfahren und deren korrekte Umsetzung. Damit definiert Teil 3den Default-Fall. Das bedeutet: Wenn in der Zeichnung keine expliziten Angaben gemacht werden, gilt das, was in der Norm steht â also all das, was nicht explizit spezifiziert werden muss.
âIn diesem Teil geht es also nicht nur um die Messbedingungen, sondern auch um zusĂ€tzlich zu beachtende Faktoren, wie man zu einem validen Ergebnis gelangt. Deshalb gibt es in diesem Teil keine Vorschriften, wie man etwas misst, sondern lediglich die Beschreibung eines vollstĂ€ndigen Spezifikationsoperatorsâ, erklĂ€rt Kedziora. Die Spezifikation ist theoretisch ideal und eindeutig. GemÀà ISO 8015 gilt: âDer Verifikationsoperator ist die physikalische Implementierung des Spezifikationsoperators. Er kann genau dieselben Operationen in derselben Reihenfolge besitzen (in diesem Fall ist die Verfahrensunsicherheit gleich null) oder er kann unterschiedliche Operationen besitzen oder die Operationen in einer anderen Reihenfolge durchfĂŒhren (in diesem Fall ist die Verfahrensunsicherheit nicht gleich null).â
FĂŒr die Verifikation gibt man also lediglich die Unsicherheit an, was in der Praxis zumeist nicht einfach ist. Als Beispiel sei die Verwendung des GauĂ-Filters betrachtet: Wenn im Standardfall die Spezifikation von einem Profilpunktabstand von 0,5 ”m ausgeht, so ist es nicht verboten, bei der Verifikation einen gröĂeren oder kleineren Punktabstand zu verwenden; der Anwender muss dieses dann bei der AbschĂ€tzung der Messunsicherheit berĂŒcksichtigen.
Fazit: Erweiterte Möglichkeiten der Funktionsbeschreibungen
FĂŒr die meisten Anwender Ă€ndert sich mit der neuen Norm ĂŒberhaupt nichts. Sie bietet nur erweiterte Möglichkeiten der Funktionsbeschreibung, etwa bei additiven Fertigungsverfahren, bei denen z. T. neue Strukturen oder neue Filter benötigt werden.
Anders als frĂŒher bestimmt nicht mehr das WerkstĂŒck die Filtereinstellung, sondern die dazugehörige Zeichnung. Dadurch wird die ZuverlĂ€ssigkeit der Entscheidung erhöht, ob die geprĂŒfte OberflĂ€che die Anforderungen erfĂŒllt oder nicht. Es entfĂ€llt das gemÀà DIN EN ISO 4288 aufwĂ€ndige â und in der Praxis kaum beachtete â Verfahren zur PrĂŒfung einer WerkstĂŒckoberflĂ€che einschlieĂlich der subjektiven Beurteilung, ob ein Profil periodisch oder aperiodisch ist.
Insgesamt wurde bei der neuen Norm ein groĂer Wert auf KontinuitĂ€t gelegt. âUnterm Strich kann man sagen: Die Schwachstellen der alten Norm â etwa unsaubere und nicht-praktikable Definitionen â sind entfallen. Dort, wo die alte Norm vernĂŒnftige Ergebnisse geliefert hat, gilt dies auch fĂŒr die neue Norm. Dort, wo die alte Norm unscharf war, ist die neue Norm schĂ€rferâ, resĂŒmiert Entwicklungsleiter Kedziora. âAufgrund der KontinuitĂ€t, durch die in der neuen Profilnorm alles beibehalten wurde, was sich in der industriellen Praxis bewĂ€hrt hat, können Anwender auch mit ihren bereits vorhandenen MessgerĂ€ten weiterhin normgerecht messen.â
Derzeit erstellt das Deutschen Institut fĂŒr Normung e. V. (DIN) die nationalen Normen DIN EN ISO 21920-1, -2 und -3. Es wird dringend empfohlen, die als frĂŒhe EntwĂŒrfe bereits im Jahr 2020 veröffentlichten Ausgaben DIN EN ISO 21920-1, -2 und -3 aus dem Verkehr zu ziehen, da es in der internationalen Diskussion bis zur finalen Version der Normreihe noch Ănderungen gab.

Tipp:
Unter dem Namen âNeue OberflĂ€chennormâ widmet Mahr ein umfassendes Webinar der neuen ISO 21920. Anschaulich und ausfĂŒhrlich wird erklĂ€rt, was die neue Norm fĂŒr Messtechniker und Anwender bereithĂ€lt. > Seminar ansehen
Die Ănderungen auf einen Blick:
- Wenige neue Begriffe
- Neues Symbol fĂŒr die Spezifikation
- Die Default-Toleranzakzeptanzregel ist die Höchstwert-Regel (âmax.-Regelâ).
- Die Regelwerte basieren auf der Spezifikation (Zeichnungseintragung) und nicht auf SchĂ€tzwerten der spezifizierten KenngröĂe. Dadurch ist die Zuordnung Nesting-Index abhĂ€ngig vom spezifizierten Ra-bzw. Rz-Wert etwas verschoben.
- Wenn nichts anderes spezifiziert ist, erfolgt die Verifikation an dem Ort des spezifizierten Geometrieelements, an dem die Höchstwerte zu erwarten sind; Unvollkommenheiten wie z.B. Kratzer oder Poren mĂŒssen einbezogen werden.
- Keine Unterscheidung zwischen periodischen und aperiodischen Profilen
- Kennwerte sind (bis auf wenige Ausnahmen) ĂŒber die Auswertestrecke definiert.
- Nur wenige Kennwerte, z.B. Rz, Rp, Rv sind ĂŒber Profilabschnitte definiert (der Begriff âsampling lengthâ bzw. âEinzelmessstreckeâ wird nicht mehr verwendet).
- Die Spezifikation der Toleranzgrenze erfolgt unmittelbar nach der Kennwertbezeichnung.
- Vereinfachte Schreibweise zur Spezifikation von bilateralen Toleranzgrenzen
- Eine dritte Toleranzakzeptanzregel: âTmedâ: Der Medianwert aller Messwerte muss innerhalb der spezifizierten Toleranzgrenzen liegen.
- Die Spezifikation von optischen Verfahren zur Profilerfassung ist möglich, z.B. EP OR(1).